Ein Traum aus Beton

Sozialistischer Wettbewerb um Schwerins Stadtzentrum

Über Schönheit lässt sich bekanntlich streiten. So trifft der Alexanderplatz in Berlin heutzutage auf weniger Gegenliebe. Dabei war er einst ein eisenbetonglänzendes Beispiel für eine sozialistische Ausgestaltung öffentlicher Plätze.
Eines der Ergebnisse des Sozialistischen Wettbewerbs von 1969: Das Modell zeigt das geplante Stadtzentrum Schwerin, Foto: LHS

Altstadt • Über Schönheit lässt sich bekanntlich streiten. So trifft der Alexanderplatz in Berlin heutzutage auf weniger Gegenliebe. Dabei war er einst ein eisenbetonglänzendes Beispiel für eine sozialistische Ausgestaltung öffentlicher Plätze. Der ,Alex‘ galt als schick und modern – so schick und modern, dass auch viele Schweriner Ende der 60er-Jahre von einem solchen Hochhausensemble träumten. Wie auch in vielen anderen Bezirkshauptstädten der DDR wurde darum 1968/1969 ein Ideenwettbewerb für die sozialistische Gestaltung des Stadtzentrums ausgeschrieben.

Teilnahmeberechtigt an dem Wettbewerb waren verschiedene Institutionen wie das Kollektiv des Bezirks Schwerin und die Büros weiterer Bezirkshauptstädte wie Magdeburg oder Leipzig. Doch auch in der DDR lebende Architekten, Städtebauer und Studenten durften teilnehmen, sofern sie bereits ihr Vorexamen abgelegt hatten. Bis zum 28. Februar 1969 sollten sie ihre Ideen für den Neuaufbau und die Gestaltung des Schweriner Zentrums beim Rat der Stadt einreichen, um die noch teils vom zweiten Weltkrieg gezeichnete Stadt in einen modernen und sozialistisch geprägten Vorzeigeort zu verwandeln. Dabei sind die damals modernsten Baumethoden und architektonischen Vorstellungen in die Planungen mit eingeflossen.

Die geforderten Leistungen waren umfassend: Die Teilnehmer mussten ein Schaubild des Stadtraums entwickeln, Bebauungspläne erstellen, mehrere großformatige Aufnahmen der Stadtsilhouette und einen Erläuterungsbericht zu ihrer städtebaulichen Idee einreichen. Dazu kam noch ein Modell im Maßstab 1:1.000. Die Ergebnisse waren beachtlich: „Die Schaubilder und Modelle waren damals in der Stadtbibliothek in der Schloßstraße für die Leser ausgestellt“, berichtet Frank Fuchsa vom Fachdienst Stadtentwicklung. „Ich war damals neun oder zehn Jahre alt, und als Kinder dachten wir: ‚Endlich bauen wir wie in Berlin – schön groß und modern.‘ Es sollten Hochhäuser mit 25 Geschossen am Marienplatz entstehen. Das war schon beeindruckend.“

Damals waren 30.000 Mark für den Gewinner des Wettbewerbs ausgeschrieben und weitere hochdatierte Preise für die folgenden Plätze. Die Jury bestand sowohl aus Fachleuten als auch aus Volksvertretungen. Gefördert wurde der Wettbewerb nicht nur vom jeweiligen Rat der Stadt, sondern auch vom Ministerium für Bauwesen und dem Bund Deutscher Architekten. Doch die Entwürfe wurden im Nachhinein als utopisch und nicht umsetzbar eingestuft. So kam es, dass Frank Fuchsa den Bauten, wenn auch nicht am Marienplatz, so doch in anderer Form erneut begegnete.

Als er 1985 nach dem Studium seinen Dienst im Büro des Schweriner Chefarchitekten antrat, sollte der junge Mann den Dachboden der Sparkasse in der Puschkinstraße ausräumen. Dort fand er überraschend die alten Modelle aus den 60er-Jahren. Schweren Herzens musste er sie entsorgen. So fand der Traum sein endgültiges Ende.

Reica Lindner